Bisher ist Lois MacMaster Bujold vor allem für ihre fesselnde und hochamüsante Science-Fiction-Serie aus dem Barrayar-Universum bekannt. Chalions Fluch ist erst ihr zweiter Fantasyroman nach Fiamettas Ring, der die meisten ihrer Fans eher enttäuscht hatte. Ob es ihr dieses Mal gelingt, eine überzeugende Welt zu entwerfen und mit Helden und Schurken zu besiedeln, die ihren Lesern ans Herz wachsen?

Nach zwei Jahren, die er als Rudersklave auf einem Schiff der Roknari verbracht hat, kehrt Lupe de Cazaril in seine Heimat Chalion zurück. Nichts wünscht der ehemalige Soldat sich mehr als ein Leben in Ruhe und Frieden, doch es soll nicht sein -- Prinzessin Iselle, zweite Thronerbin des Reiches, macht ihn zu ihrem Sekretär und Tutor. Das geht auch eine Weile gut, doch dann gerät Cazaril zunehmend in das Gespinst aus Machtstreben und Lügen, das den Thron des schwachen Königs Orico umgibt...

Kein Zweifel: Chalions Fluch ist von der ersten bis zur letzten Seite ein hochspannendes Buch. Mit Lupe de Cazaril hat Bujold einen Protagonisten geschaffen, der einen Vergleich mit Miles Vorkosigan aus ihrer SF-Serie nicht zu scheuen braucht, ohne ihm dabei allzu ähnlich zu sein. Und so sehr er auch im Mittelpunkt der Handlung steht, es gibt noch genügend andere tolle und schräge Gestalten, die das Reich Chalion bevölkern.

Allerdings stellt sich angesichts der Genrezuordnung "Fantasy" eine nicht unwesentliche Frage: Was unterscheidet dieses Buch von einem historischen Roman, sieht man einmal von den fremdartigen Namen und der "exotischen" Welt ab? Zu sehr beschränkt sich die Autorin auf Versatzstücke unseres Mittelalters, und dabei bleibt die Eigenständigkeit ihrer Welt auf der Strecke. Was ein großes Buch hätte werden können, ist so "nur" großartige Unterhaltung -- aber auf einem Niveau, bei dem nur wenige von Bujolds Kollegen mithalten können. --Bertram Jansen